EU-Lieferkettengesetz: „Kurskorrekturen dringend nötig“

PRESSESTATEMENT der Initia­ti­ve Lie­fer­ket­ten­ge­setz zum Beschluss des EU-Minis­ter­rats

Ber­lin, 01. Dezem­ber 2022.
Der EU-Minis­ter­rat für Wett­be­werbs­fä­hig­keit hat sich heu­te zum geplan­ten EU-Lie­fer­ket­ten­ge­setz posi­tio­niert. Johan­nes Heeg, Spre­cher des zivil­ge­sell­schaft­li­chen Bünd­nis­ses „Initia­ti­ve Lie­fer­ket­ten­ge­setz“, kom­men­tiert:

„End­lich nimmt das geplan­te EU-Lie­fer­ket­ten­ge­setz wie­der an Fahrt auf – gut, dass die Bun­des­re­gie­rung mit an Bord ist und dem Rats­be­schluss zuge­stimmt hat. Trotz­dem sind drin­gend Kurs­kor­rek­tu­ren nötig, um Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen und Umwelt­zer­stö­rung wirk­sam aus den Lie­fer­ket­ten von Unter­neh­men zu ver­ban­nen. Denn im EU-Rats­be­schluss klaf­fen gro­ße Lücken, auch im Ver­gleich zum Ent­wurf der EU-Kom­mis­si­on aus dem Früh­jahr.

Geht es nach dem Rat, wären Waf­fen­ex­por­te nicht erfasst. Für Finanz­dienst­leis­tun­gen sind nur sehr ein­ge­schränk­te Sorg­falts­pflich­ten vor­ge­se­hen und Mit­glied­staa­ten kön­nen sogar ganz davon abse­hen, die­se kon­kret zu regu­lie­ren. Außer­dem müss­ten sich Expor­teu­re nicht mit der Ver­wen­dung ihrer Pro­duk­te beschäf­ti­gen. Damit wären zum Bei­spiel Agrar­kon­zer­ne fein raus, selbst wenn ihre Pes­ti­zi­de die Gesund­heit von Bau­ern und Plan­ta­gen­ar­bei­te­rin­nen schä­di­gen. Und anders als von der EU-Kom­mis­si­on vor­ge­schla­gen, müss­ten Unter­neh­men die Ver­gü­tung ihrer Vor­stän­de nicht dar­an knüp­fen, ob sie ihre eige­nen Kli­ma­plä­ne auch umge­setzt haben.

Immer­hin: Der Rats­be­schluss umschifft eini­ge Schwä­chen des deut­schen Lie­fer­ket­ten­ge­set­zes. Die Sorg­falts­pflich­ten gel­ten ohne Abstu­fung auch für Zulie­fe­rer in der tie­fe­ren Lie­fer­ket­te. Und, beson­ders wich­tig: Unter­neh­men müss­ten vor Zivil­ge­rich­ten in der EU für Schä­den haf­ten, die sie durch Ver­stö­ße gegen Sorg­falts­pflich­ten ver­ur­sacht haben. Die von der Bun­des­re­gie­rung an die­ser Stel­le gefor­der­ten Schlupf­lö­cher für Unter­neh­men haben kei­nen Ein­gang in die Rats­po­si­ti­on gefun­den.

Umso bestürz­ter sind wir, dass die Bun­des­re­gie­rung in einer Pro­to­koll­no­tiz ange­kün­digt hat, dem EU-Lie­fer­ket­ten­ge­setz am Ende nur zuzu­stim­men, wenn die­se Schlupf­lö­cher ent­hal­ten sind: Wer bestimm­te Zer­ti­fi­zie­run­gen ver­wen­det oder sich an Bran­chen­stan­dards betei­ligt, wür­de dem­nach selbst für fahr­läs­sig ver­ur­sach­te Schä­den nicht haf­ten. Dabei zeigt die Ver­gan­gen­heit: Zer­ti­fi­zie­run­gen und Bran­chen­stan­dards sind oft unzu­ver­läs­sig. Auch der Damm, der 2019 in Bra­si­li­en gebro­chen ist und 272 Men­schen in den Tod geris­sen hat, war TÜV-zer­ti­fi­ziert.

Wir appel­lie­ren an die Bun­des­re­gie­rung, ihren Kurs an die­ser Stel­le zu kor­ri­gie­ren – er wür­de das EU-Lie­fer­ket­ten­ge­setz mas­siv abschwä­chen. Die Koali­ti­on darf ihre Ankün­di­gung aus dem Koali­ti­ons­ver­trag, sich für ein ‚wirk­sa­mes EU-Lie­fer­ket­ten­ge­setz‘ ein­zu­set­zen, nicht ver­sen­ken!“


Wei­ter­füh­ren­de Infor­ma­tio­nen:
Die Pres­se­mit­tei­lung des EU-Rats sowie den voll­stän­di­gen Beschluss­text fin­den Sie hier: https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2022/12/01/council-adopts-position-on-due-diligence-rules-for-large-companies/

Kon­takt:
Johan­nes Heeg, Spre­cher der „Initia­ti­ve Lie­fer­ket­ten­ge­setz“, 0151–10611346, E‑Mail: presse@lieferkettengesetz.de

Die Initia­ti­ve Lie­fer­ket­ten­ge­setz wird getra­gen von:

Amnes­ty Inter­na­tio­nal Deutsch­land, Arbeits­ge­mein­schaft der Eine Welt-Lan­des­netz­wer­ke in Deutsch­land e.V. (agl), Brot für die Welt, Bund für Umwelt und Natur­schutz Deutsch­land e.V. (BUND), Rome­ro-Initia­ti­ve e.V. (CIR), CorA-Netz­werk für Unter­neh­mens­ver­ant­wor­tung, Deut­scher Gewerk­schafts­bund (DGB), Euro­pean Cen­ter for Con­sti­tu­tio­nal and Human Rights (ECCHR), FEMNET e.V., Forum Fai­rer Han­del e.V., Ger­m­an­watch e.V., Green­peace e.V., INKO­TA-netz­werk e.V., Mise­re­or e. V., Oxfam Deutsch­land e.V., SÜDWIND e.V., ver.di — Ver­ein­te Dienst­leis­tungs­ge­werk­schaft, WEED — Welt­wirt­schaft, Öko­lo­gie & Ent­wick­lung e.V., Welt­la­den-Dach­ver­band e.V., Werk­statt Öko­no­mie e.V.

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