Wohnwünsche-Agentur für Paderborn?

Dr. Dani­el Fuhr­hop betont Poten­zia­le des unsicht­ba­ren Wohn­raums

„Wir wol­len die Bau­wen­de vor­an­brin­gen. Dafür benö­ti­gen wir Revo­lu­tio­nä­re, die zei­gen, was wir anders machen kön­nen, denn Neu­bau allein wird nicht rei­chen, um den drin­gend benö­tig­ten Wohn­raum in Pader­born kli­ma­kon­form zu schaf­fen“, begrüß­te cum ratio­ne Geschäfts­füh­re­rin Kers­tin Haar­mann am Diens­tag­abend die rund 40 Inter­es­sier­ten in der neu­en Auf­sto­ckung des Geschäfts­ge­bäu­des von West­fa­len­Wind.

Dass es sich bei dem ein­ge­la­de­nen Dr. Dani­el Fuhr­hop um einen sol­chen Revo­lu­tio­när han­deln könn­te, lässt schon sei­ne pro­vo­kan­te For­de­rung „Ver­bie­tet das Bau­en“ ver­mu­ten, die auch Titel sei­nes 2015 erschie­ne­nen Buches ist. Wohn­raum­man­gel, demo­gra­fi­scher Wan­del und Kli­ma­ver­än­de­run­gen – der Wohn­wen­de­öko­nom Fuhr­hop ist sich sicher, dass die drei Kri­sen der heu­ti­gen Zeit nicht ein­fach mit mehr Neu­bau gelöst wer­den kön­nen. So wer­den in den nächs­ten 15 Jah­ren in Deutsch­land über 4 Mil­lio­nen mehr Men­schen über 60 Jah­re alt sein, die oft Hil­fe und Unter­stüt­zung benö­ti­gen, teil­wei­se ein­sam sind und häu­fig allein auf gro­ßer Wohn­flä­che leben. Wie kön­nen wir hier­auf reagie­ren? Und wie lässt sich das Kli­ma­ziel im Bereich Gebäu­de von minus 5 Mio. Ton­nen CO2 damit ver­ein­ba­ren, dass durch das Neu­bau­ziel von jähr­lich 300.000 Woh­nun­gen vie­le Mil­lio­nen von Ton­nen CO2 mehr ver­ur­sacht wer­den?

Unsicht­ba­ren Wohn­raum nut­zen

In sei­nem Vor­trag hat Dani­el Fuhr­hop dar­ge­stellt, dass mit geeig­ne­ten Instru­men­ten und eige­nem Enga­ge­ment jähr­lich bun­des­weit etwa 160.000 Woh­nun­gen im Bestand durch Auf­sto­ckun­gen, Umbau, Aus­bau, Umnut­zung oder Akti­vie­rung des Leer­stands geschaf­fen wer­den könn­ten. Ein gro­ßer Teil der rest­li­chen 140.000 Woh­nun­gen, wenn Neu­bau mög­lichst ver­mie­den wer­den soll, könn­te durch den von Fuhr­hop vor­ge­stell­ten, soge­nann­ten „unsicht­ba­ren“ Wohn­raum geschaf­fen wer­den. Dabei han­delt es sich um unge­nutz­te Wohn­flä­chen in grö­ße­ren Woh­nun­gen oder Häu­sern, die durch sozia­le Maß­nah­men mobi­li­siert wer­den könn­ten, wie z.B. Unter­mie­te, Umzug, Umbau, Ver­mie­ten, Woh­nen gemein­schaft­lich gestal­ten, die der Wohn­wen­de­öko­nom mit der For­mel 3U, V, W zusam­men­fasst.

Bei der Unter­mie­te spielt ins­be­son­de­re das Kon­zept „Woh­nen für Hil­fe“ eine wich­ti­ge Rol­le, bei dem älte­re Men­schen in der Regel jün­ge­re Leu­te bei sich woh­nen las­sen, die die­sen dann im Haus­halt oder bei der Gar­ten­ar­beit hel­fen. Was in Deutsch­land noch nicht flä­chen­de­ckend funk­tio­niert, ist in Län­dern wie Groß­bri­tan­ni­en, Frank­reich oder Bel­gi­en schon ein Erfolgs­for­mat. Allein in Brüs­sel wer­den nach Anga­ben von Fuhr­hop jähr­lich 350 Wohn­paa­re ver­mit­telt. In Bezug auf die Ver­mie­tung von Woh­nun­gen, schre­cken vie­le Men­schen häu­fig davor zurück, weil sie Pro­ble­me mit den Mie­ten­den befürch­ten, mit denen sie dann auf sich allein gestellt sind. Einen Lösungs­an­satz stellt hier die sozia­le Wohn­raum­ver­mitt­lung dar, die geeig­ne­te Mie­ter und Ver­mie­ter zusam­men­führt, häu­fig Miet­ga­ran­tie­ren bie­tet und bei Ärger mit den Mie­ten­den kon­tak­tiert wer­den kann. Hier gilt die Stadt Karls­ru­he als Vor­zei­ge­bei­spiel, bei der in 20 Jah­ren schon 1300 Woh­nun­gen auf die­se Wei­se ver­mit­telt wer­den konn­ten.

Gro­ße Poten­zia­le — auch in Pader­born

Ins­ge­samt besteht nach Berech­nun­gen von Herrn Fuhr­hop in Deutsch­land ein Poten­zi­al von etwa 100.000 Woh­nun­gen bun­des­weit, die auf die­se Wei­se geschaf­fen wer­den könn­ten und damit die Not­wen­dig­keit des Neu­baus auf ein Mini­mum redu­zie­ren wür­den.  Mit Blick auf die Zah­len für Pader­born wäre hier durch die Mobi­li­sie­rung des unsicht­ba­ren Wohn­raums theo­re­tisch Platz für etwa 20.000 zusätz­li­che Men­schen, rech­net er vor. Selbst wenn davon nur ein Zehn­tel der Eigen­tü­mer den Platz zur Ver­fü­gung stel­len woll­te und auch könn­te, wäre das immer noch ein Groß­teil des erfor­der­li­chen Wohn­raums für die nächs­ten Jah­re.

Wo kön­nen wir kon­kret in Pader­born anfan­gen? Und wel­che Kos­ten sind damit ver­bun­den?

Dies wur­de in der Dis­kus­si­on erör­tert. Wich­tig sei, dass natür­lich Kos­ten anfal­len, wenn eine Wohn­raum­ver­mitt­lung pro­fes­sio­nell erfol­gen soll. Im Ver­gleich mit Bau­ge­bie­ten sei­en die Kos­ten laut Fuhr­hop aller­dings deut­lich gerin­ger. In jeder Stadt müs­se vor Ort geschaut wer­den, wel­che Poten­zia­le bestehen und wel­che Akteu­re bereits im Bereich tätig sind, erläu­tert er wei­ter.  Es herrsch­te Ein­ver­neh­men, dass Kom­mu­nen nicht war­ten soll­ten, bis sich auf Lan­des- oder Bun­des­ebe­ne etwas bezüg­lich einer mög­li­chen För­de­rung tut. Die guten Bei­spie­le ande­rer Kom­mu­nen soll­ten ana­ly­siert wer­den. Ide­al wäre eine soge­nann­te Wohn­wün­sche-Agen­tur, die spe­zi­ell auf die Bedürf­nis­se und Wün­sche der Eigen­tü­mer ein­ge­hen und die­se dann kon­kret beglei­ten oder an die ent­spre­chen­den Stel­len ver­mit­teln könn­te.

Flä­chen- und kli­ma­scho­nen­de Auf­sto­ckung bei West­fa­len­Wind

Dani­el Saa­ge, Geschäfts­füh­rer von West­fa­len­Wind, ver­deut­lich­te am Bei­spiel des Ver­an­stal­tungs­raums, wie Bau­her­ren selbst vor­an­ge­hen kön­nen: Mit der Auf­sto­ckung auf eine bereits bestehen­de Lager­flä­che wur­de die Büro­flä­che von 1200 auf 2700 qm mehr als ver­dop­pelt — ohne zusätz­li­chen Flä­chen­ver­brauch. Dass gleich­zei­tig auf eine Holz­bau­wei­se gesetzt wur­de, führ­te dazu, dass etwa 1500 Ton­nen CO2 im Ver­gleich zur Mas­siv­bau­wei­se ein­ge­spart wer­den konn­ten.