China betreibt „Sportswashing“ und das IOC spielt mit

Ber­lin. Chi­na rich­tet die Olym­pi­schen Win­ter­spie­le 2022 in Peking und Zhang­jia­kou aus. Trotz anhal­ten­der Unter­drü­ckung von eth­ni­schen und reli­giö­sen Min­der­hei­ten und ande­ren Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen, die auch im direk­ten Zusam­men­hang mit den Spie­len ste­hen, gibt sich das Inter­na­tio­na­le Olym­pi­sche Komi­tee (IOC) unbe­ein­druckt. IOC-Prä­si­dent Tho­mas Bach und sein Exe­ku­tiv-Komi­tee zie­hen sich mit der Begrün­dung aus der Ver­ant­wor­tung, Poli­tik sei mit dem Olym­pi­schen Geist nicht ver­ein­bar.

Chi­na wird nach den Olym­pi­schen Som­mer­spie­len 2008 auch die Win­ter­spie­le 2022 in Peking und Zhang­jia­kou aus­rich­ten. Inner­halb der letz­ten Mona­te haben ver­mehrt Quel­len über die Unter­drü­ckung der mus­li­mi­schen Min­der­heit der Uigu­ren berich­tet. Men­schen wer­den in der Uigu­ri­schen Regi­on in Umer­zie­hungs­la­gern fest­ge­hal­ten, müs­sen Zwangs­ar­beit ver­rich­ten und auch wei­te­re schwe­re Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen wie die sys­te­ma­ti­scher Ste­ri­li­sie­run­gen von Frau­en wur­den doku­men­tiert. Trotz der bekann­ten Pro­ble­ma­tik hat das IOC 2015 die Aus­tra­gung der Olym­pi­schen Win­ter­spie­le 2022 an Chi­na ver­ge­ben.

„Dass sich das IOC damit in Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen ver­wi­ckeln wür­de, war abseh­bar“, kri­ti­siert Lara Schrö­der von der Kam­pa­gne für Sau­be­re Klei­dung Deutsch­land (e.V.). „Sogar ein IOC-inter­ner Expert*innenbericht zur Men­schen­rechts­stra­te­gie hat im Dezem­ber 2020 [1] bestä­tigt, dass im direk­ten Zusam­men­hang mit der Aus­tra­gung der Spie­le Aus­wir­kun­gen auf die Men­schen­rech­te sicht­bar sind.“ Das chi­ne­si­sche Unter­neh­men Anta Sports, seit 2017 offi­zi­el­ler Part­ner und Aus­stat­ter der Olym­pi­schen und Para­lym­pi­schen Spie­le, hat selbst bestä­tigt, dass es für sei­ne Arti­kel Baum­wol­le aus Xin­jiang ver­wen­det. Die Offi­zi­el­len des IOC und nach Chi­na rei­sen­den Sportler*innen wer­den bei die­sem Event also Klei­dung tra­gen, die sehr wahr­schein­lich in Zwangs­ar­beit her­ge­stellt wor­den ist. „Wie kann das mit den Wer­ten von Frie­den und Respekt ver­ein­bart wer­den, die die Olym­pi­schen Spie­le seit jeher ver­tre­ten?“, wun­dert sich Schrö­der.

Koor­di­na­tor der Kam­pa­gne Sport han­delt fair Anton Kli­schew­ski ist bestürzt über das Ver­hal­ten des IOC: „Wie kann es sein, dass das IOC den sich eigens auf­er­leg­ten Lie­fe­ran­ten­ko­dex [2] nicht kon­se­quent umsetzt? Wir for­dern, dass sich inter­na­tio­na­le Sport­or­ga­ni­sa­tio­nen wie das IOC bei der Aus­wahl der Aus­rich­ter sowie Orga­ni­sa­ti­on von Sport­groß­ver­an­stal­tun­gen ver­bind­lich an die UN Leit­prin­zi­pi­en für Wirt­schaft und Men­schen­rech­te hal­ten. Das IOC muss die Iden­ti­tät sei­ner exter­nen Wirt­schafts­prü­fungs­ge­sell­schaft und deren Metho­den sowie den voll­stän­di­gen Wirt­schafts­prü­fungs­be­richt offen­le­gen. Die 4‑seitige Zusam­men­fas­sung der Prü­fung durch das IOC ist vol­ler vager und lee­rer Behaup­tun­gen [3]. Die Hoff­nung, die men­schen­recht­li­che Situa­ti­on in Chi­na durch die Olym­pi­schen Spie­le gar ver­bes­sern zu kön­nen, ist eine Illu­si­on. Ein unrühm­li­ches Bei­spiel hat das Land mit den Olym­pi­schen Som­mer­spie­len 2008 selbst gelie­fert.”

Mit der Aus­rich­tung der Spie­le bie­tet das IOC der chi­ne­si­schen Regie­rung die Mög­lich­keit, „Sports­washing“ im gro­ßen Stil zu betrei­ben, um von den Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen im eige­nen Land abzu­len­ken. Trotz der poli­ti­schen Instru­men­ta­li­sie­rung durch die chi­ne­si­sche Regie­rung, die die Win­ter­spie­le als Büh­ne nutzt, um sich als freund­li­ches und welt­of­fe­nes Aus­rich­t­er­land zu insze­nie­ren, klam­mert sich IOC-Prä­si­dent Tho­mas Bach an die Idee der „poli­ti­schen Neu­tra­li­tät“ der Spie­le. Sein Man­tra lau­tet: „Das IOC oder die Olym­pi­schen Spie­le kön­nen nicht die poli­ti­schen Pro­ble­me lösen, die Gene­ra­tio­nen von Polit­kern bis­her nicht lösen konn­ten“ [4]. Bachs Aus­sa­ge ist ernüch­ternd und zeigt, dass das IOC nicht bereit ist, sei­nen men­schen­recht­li­chen Sorg­falts­pflich­ten nach­zu­kom­men. Das ist auch die Ein­schät­zung von Zum­re­tay Arkin, Anwäl­tin für Men­schen­rech­te im Welt­kon­gress der Uigu­ren: „Das IOC darf nicht zulas­sen, dass die soge­nann­te Neu­tra­li­tät die Moral außer Kraft setzt, wenn es um Skla­ven­ar­beit geht (…).“ [5] Wenn das IOC hier ver­sagt, braucht es kla­re Zei­chen von Regie­run­gen, Ver­bän­den und Sportler*innen.

[1] Cent­re for Sports Human Rights (2021) Com­men­ta­ry on Recom­men­da­ti­ons for an IOC Human Rights Stra­tegy [2] IOC (2018) Sup­pli­er Code [3] IOC (2022) IOC´s Respon­si­ble Sourcing Approach [4] SWR (2021) Tho­mas Bach – Buckeln vor Dik­ta­to­ren [5] Coali­ti­on to End Forced Labour in the Uyg­hur Regi­on (2022)

Kon­takt:

Inter­view Lara Schrö­der, Deutsch­land­funk: https://www.deutschlandfunk.de/anta-sports-was-ein-ioc-sponsor-mit-menschenrechten-zu-tun-hat-dlf-d0715b5f-100.html