Für Kraftfahrzeuge wurde in Deutschland 1935 die Hubraumsteuer als Kfz-Steuer eingeführt. Sie war ein durch einfache Geometrie zu bestimmender Parameter für die Leistungsklasse von Verbrennungsmotoren. Seit dem 1. Januar 2021 geht die CO2-Emission von Kfz mit Verbrennungsmotoren ebenfalls in die Besteuerung ein. Mit Einführung der E‑Mobilität hat die Hubraumsteuer zunächst den Effekt, dass E‑Mobile nicht besteuert werden, da sie keinen Hubraum haben. E‑Fahrzeuge, die in den kommenden Jahren angeschafft werden, sind bis 2030 befreit.
Wenn wir in einigen Jahren relevante Marktanteile an E‑Fahrzeugen haben werden, wird man feststellen, dass auch E‑Fahrzeuge einen Beitrag zur Finanzierung der Verkehrsinfrastrukturen werden leisten müssen. Es stellt sich also akut die Frage, welcher Besteuerungsmaßstab für E‑Fahrzeuge sinnvoller Weise gelten soll. Das gilt zumindest unter der Prämisse, dass die Steuer nicht nur Einnahmen generieren, sondern auch Lenkungseffekte haben soll. Dafür ist es notwendig, der Fahrzeugindustrie rechtzeitig eine Orientierung für die Fahrzeugentwicklung zu geben, also jetzt!
Da Hubraum und CO2-Emission als Besteuerungsmaßstab wegfallen, sind neue Parameter gefragt. Die Besteuerung nach CO2 oder Hubraum ist eine Besteuerung nach Eigenschaften des Fahrzeugs, nicht nach dem Gebrauch des Fahrzeugs. Falls eine Besteuerung nach Gebrauch (gefahrene Kilometer, Fahrten in Innenstädten o. Ä.) eingeführt würde, wäre es dennoch sinnvoll, dabei auch nach Fahrzeugeigenschaften zu differenzieren. Denn die Inanspruchnahme von Umwelt, von Flächen, von Lebensqualität der Menschen hängt von beidem ab: dem Gebrauch des Fahrzeugs und den Eigenschaften des Fahrzeugs. Ein SUV nimmt von allen Gütern immer mehr in Anspruch als ein Kleinwagen oder ein Zweirad.
Mit welchen Parametern erreichen wir die beste Lenkungswirkung in Bezug auf Nachhaltigkeit und Lebensqualität? Ein Maßstab für die Inanspruchnahme von Infrastruktur könnte das Fahrzeuggewicht sein. Wenn wir uns heute aber ein Zukunftsbild machen von lebenswerten Städten und generell lebenswerten Räumen in der Nähe von Straßen greift der Aspekt Fahrzeuggewicht zu kurz. Heute belastet der Autoverkehr in Städten und entlang von Straßen die Menschen vor allem mit Abgasen und mit Lärm. Bei erfolgter Umstellung auf E‑Mobilität auf Basis von Strom aus Erneuerbaren Energien wäre die Belastung durch Abgase erledigt, aber die Belastung durch Lärm noch lange nicht. Nur bei geringen Geschwindigkeiten hat der E‑Motor entscheidende Vorteile in Bezug auf Lärmemission. Bei hohen Geschwindigkeiten sind Reifen- und Windgeräusche dominierend. Das bedeutet, dass die Einführung der E‑Fahrzeuge das Lärmproblem nicht automatisch mit erledigt.
Es gibt heute in Deutschland nur wenig abgelegene Gegenden, die nicht durch Straßen (und Bahn) verlärmt sind. Millionen von Menschen leiden unter Verkehrslärm. Verkehrslärm ist gemeinsam mit Abgasen der Top-Killer urbaner Qualität in unseren Städten und Dörfern. Er entwertet Wohnimmobilien entlang von Hauptverkehrsachsen in einem Umfang von mehreren hundert Mrd. Euro. Verkehrslärm macht krank und führt direkt zur weiteren Zersiedelung der Städte und zu weiterer Flächenversiegelung: Weil es laut ist, ziehen die Wohlhabenden in ruhigere Vororte und verursachen unterwegs noch mehr Lärm. Jeder vierte Deutsche ist zu viel Verkehrslärm ausgesetzt. Ein Teil dieses Problems kann durch Tempo 30 Zonen gelöst werden. Aber flächendeckend ist Tempo 30 in Deutschland sicher keine Option.
Straßenverkehr ist eine der entschiedensten Ursachen von Umgebungslärm, insbesondere in dicht besiedelten städtischen Gebieten sind die meisten Menschen betroffen. Allein im Jahr 2021 wurde eine anhaltende Lärmbelastung in Europa mit schätzungsweise 66.000 vorzeitigen Todesfällen, 50.000 neuen Fällen von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und 22.000 neuen Fällen von Typ-2-Diabetes in Verbindung gebracht. Insgesamt gingen in Europa über 1,3 Millionen gesunde Lebensjahre durch Lärmbelastung verloren.
European Enviroment Agency “Enviromental noise in Europe – 2025, p. 6.
Hier drängt sich zwangsläufig die Frage auf: Wie können wir Straßenverkehr auch oberhalb von Tempo 30 leiser machen, ohne überall aufwändige und abschottende Lärmschutzwände bauen zu müssen? (Nebenbei bemerkt stellt die Finanzierung des passiven Lärmschutzes an Straßen und Gebäuden das Verursacherprinzip komplett auf den Kopf.) Diese Fragestellung hat eine gewaltige Dimension in Bezug auf Lebensqualität, Städtebau, Landschaftsverbrauch und Immobilienwertigkeiten und es ist geradezu absurd, dass wir angesichts dieser Dimension bisher nicht einmal den Versuch unternommen haben, das Problem in den Griff zu bekommen. Ein solcher Versuch kann darin bestehen, Anreize für eine Entwicklung zu setzen, die den Status quo verändert. Zwar gibt es Grenzwerte für Lärmemission, aber Grenzwerte orientieren sich nur am Status quo bzw. am Stand der Technik. Sie verändern ihn aber nicht, denn sie lösen keine Entwicklung aus.
Zunächst brauchen wir analog zum WLTP-Standard eine Klassifizierung von Fahrzeugen nach Lärmemission. Die Klasse „Zeroemission“ ist faktisch schon definiert durch Fahrrad und E‑Bike. Zwischen diesem und dem Status quo sollte es weitere Abstufungen geben, an denen sich eine künftige Kfz-Steuer bemessen lässt. Dagegen kann man einwenden, dass diese Besteuerung andere wichtige Aspekte wie Fahrzeugabmessungen und somit die Inanspruchnahme von Verkehrsraum oder das Fahrzeuggewicht und in Folge die Belastung von Straßen und Brücken und die Unfallfolgenschwere ausklammern würde. Bei entsprechender Ausgestaltung der Lärmemissionssteuer ist das jedoch nicht der Fall: Bei Geschwindigkeiten etwa ab Tempo 50 hängt die Lärmemission im Wesentlichen vom Fahrzeuggewicht und von der Bereifung ab. Und die Emission nimmt mit der Geschwindigkeit erheblich zu. Ein geringes Fahrzeuggewicht (Kleinwagen) würde also automatisch eine Einstufung in eine niedrige Emissionsklasse erleichtern. Ferner sollte die Erfassung der fahrzeugspezifischen Lärmemission bei der jeweils möglichen Höchstgeschwindigkeit des Fahrzeugs erfolgen. Das wäre ein Anreiz, die Motorisierung der Fahrzeuge in Grenzen zu halten und gegebenenfalls herstellerseitig das Tempo auf eine bestimmte Höchstgeschwindigkeit zu drosseln.
Mal angenommen, die Lärmemissionssteuer würde keine technische Entwicklung auslösen im Sinne einer Entkopplung von Fahrzeuggewicht, Geschwindigkeit und Lärmemission, dann hätte diese Steuer dennoch eine erwünschte Lenkungswirkung: kleinere, leichtere und weniger übermotorisierte Fahrzeuge. Und: Ein 30 t LKW bei Tempo 80 wäre immer noch laut und Autobahnen bräuchten in Nähe von Wohngebieten immer noch Lärmschutzwände. Daher ist der Versuch, durch eine Lärmemissionssteuer einen Anreiz für neue technische Entwicklungen zu schaffen, auf jeden Fall lohnenswert. Es gibt kein physikalisches Gesetz, nach dem die Bewegung einer bestimmten Masse mit einer bestimmten Geschwindigkeit eine bestimmte Lärmemission zur Folge hat.
Wir sollten uns ein Beispiel an einem mutigen Gesetz nehmen, das eine zunächst fast aussichtslose Technologie in 25 Jahren zur global günstigsten Stromquelle gemacht hat, indem es Anreize geschaffen hat: das EEG und Fotovoltaik.
Neben der Anreizwirkung durch eine entsprechend ausgestaltete Besteuerung gibt es auch weitere Optionen. Straßenverkehrsbehörden können heute Straßen für Motorräder sperren wegen der Lärmbelastung. Ebenso könnten künftig Straßen nur für Fahrzeuge freigegeben werden, die bestimmte Lärmgrenzwerte nicht überschreiten. Oder es könnten auf Fernstraßen für bestimmte Lärmklassen gestufte Geschwindigkeitsbeschränkungen erfolgen wie heute etwa für LKW.
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