Ultra-Fast-Fashion wird mit jedem Tag beliebter – schneller, günstiger und immer verfügbar. Shein, Temu, Primark, … Sie versprechen die neusten Trends zu den günstigsten Preisen. Neben diesen Giganten sehen selbst Unternehmen wie H&M und Zara alt aus. Der geschätzte Unternehmenswert von Shein beispielsweise liegt bei ca. 100 Milliarden US-Dollar. Zum Vergleich: H&M liegt bei ungefähr 26,4 Milliarden US-Dollar.
Shein wurde 2008 ursprünglich als Brautmode-Shop gegründet, hat sich jedoch zu einem führenden Namen im Bereich Ultra-Fast-Fashion entwickelt. Einen besonders großen Sprung gab es im Jahr 2019, als der Umsatz im Pandemiejahr um 200 % anstieg. Ähnlich wie Shein ist Temu bekannt für seine schnelle Mode und setzt auf ähnliche Strategien. Temu zeichnet sich durch einen vergleichbaren Ansatz in Bezug auf Produktangebot und Marketing aus. (Quelle)
Die Marken setzen auf Blitzproduktionen und bieten täglich neue Kollektionen an, die direkt auf Trends aus den sozialen Medien reagieren. Doch dieser rasante Wandel hat seinen Preis: sowohl für die Umwelt als auch für faire Arbeitsbedingungen. Erfahre hier, wie Ultra-Fast-Fashion die Modeindustrie verändert und welche Auswirkungen dies auf uns alle hat.
Über die Lieferkette und die herrschenden Arbeitsbedingungen ist sowohl bei Shein als auch bei Temu fast nichts bekannt.
Sheins eigene Erklärung zur Transparenz fällt ziemlich floskelhaft aus: Wir zahlen faire Löhne, Überstunden und gesetzlich vorgeschriebene Leistungen in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen der Länder, in denen wir tätig sind, und erwarten von unseren Lieferanten und Anbietern, dass sie dasselbe tun.
Generell widersprechen sich oftmals unabhängige und die von Shein selbst angesetzten Untersuchungen zu Missständen in der Lieferkette. Die unabhängige Schweizer Organisation Public Eye hatte bereits 2021 einen Bericht veröffentlicht, in welchem sie die schlechten Bedingungen aufdeckten: versperrte Sicherheitswege, 75-Stunden-Woche und pro Monat gibt es nur einen einzigen freien Tag.
Shein gab beim britischen Nachrichtendienst BBC an, dass sie “hart daran arbeiten”, die in dem Public Eye-Bericht angesprochenen Angelegenheiten zu klären, und dass sie “erhebliche Fortschritte bei der Verbesserung der Bedingungen” gemacht hätten.
In einem im Mai veröffentlichten Bericht überprüfte Public Eye die Anschuldigungen gegen Shein erneut und hält fest: “[…] Interviewte gaben an, dass sie durchschnittlich 12 Stunden am Tag arbeiteten – Mittags- und Abendpausen nicht eingerechnet – und das an mindestens sechs, meist sieben Tagen in der Woche. Ein Unternehmen war offiziell nachts geschlossen, aber auch erst ab 23 Uhr. […] Die 75-Stunden-Wochen, die wir vor zwei Jahren festgestellt haben, scheinen bei Shein nach wie vor die Norm zu sein.” (aus dem Englischen übersetzt).
Shein reagierte auch auf diesen Bericht. Was Shein selbst verkündet klingt meist sehr positiv und gut, doch die vergangenen Berichte unabhängiger Organisationen haben bisher oft eine andere Wahrheit aufgezeigt.
Die Modeindustrie gehört weltweit zu den größten Verursachern von Umweltverschmutzung und Treibhausgasemissionen. Sie trägt mit etwa 10 % zu den globalen CO₂-Emissionen bei und ist maßgeblich für einen erheblichen Anteil der Wasserverschmutzung verantwortlich. Besonders kritisch ist dabei, dass 80 % der negativen ökologischen und sozialen Auswirkungen entlang der Lieferketten auftreten – vor allem in den Ländern des globalen Südens.
Das Geschäftsmodell von Ultra-Fast-Fashion-Konzernen, das auf extrem kurze Produktionszyklen und Massenkonsum ausgelegt ist, ist dabei besonders besorgniserregend und hat dramatische Folgen:
Gewässerverschmutzung: Die Produktion von Textilien, insbesondere das Färben und Behandeln von Stoffen, führt zur Verschmutzung von Flüssen und Seen in den Produktionsländern. Chemikalien gelangen ungefiltert in die Gewässer, was das lokale Ökosystem schwer schädigt.
Textilmüll und Abfallverschiffung: Ein Großteil der ungenutzten oder nicht verkauften Kleidung wird als Abfall in Länder des globalen Südens, insbesondere nach Afrika, verschifft. Dort landet der Textilmüll auf Deponien oder wird unsachgemäß entsorgt, was die Umwelt zusätzlich belastet und lokale Gemeinden in ihrer Lebensqualität einschränkt.
Plastikmüll und synthetische Fasern: Ein erheblicher Anteil der Fast-Fashion-Textilien besteht aus synthetischen Fasergemischen, die Plastik enthalten. Diese Fasern sind nicht biologisch abbaubar und verschmutzen die Umwelt dauerhaft. Mikroplastikpartikel aus Kleidung gelangen in die Meere, was sowohl Meereslebewesen als auch die menschliche Nahrungskette beeinträchtigt.
Ultra-Fast-Fashion zeigt eindrücklich, wie Konsumverhalten in den Industrieländern globale ökologische und soziale Probleme verstärkt.
Studie Greenpeace
Hier wurden 42 Produkte über die Shein-Website gekauft und fünf Artikel aus einem Pop-Up-Store im Hinblick auf das Vorhandensein von Chemikalien. Von den 47 Produkten enthalten sieben Produkte gefährliche Chemikalien (z. B. Formaldehyd und Nickel), die sich oberhalb der gesetzlich erlaubten EU-Grenzwerte (15 %) bewegen. Im Vergleich mit dem Oeko Tex Standard 100 ergab dies sogar 13 Textilien mit auffälligen Werten. 96 % enthalten mindestens eine gefährliche Chemikalie (wenn auch in meist niedrigeren Konzentrationen).
Studie Ökotest
Hier wurden 21 Shein-Kleidungsstücke getestet, von denen acht die Grenze überstiegen. Die beste Gesamtnote, mit der eines der Kleidungsstücke bewertet wurde war bei diesem Test „Ausreichend“. Besonders belastet sind die Damen Sandalen (Blei und Cadmium) und das Kleinkinder-Kleid (Antimon). Die Sandalen hielten darüber hinaus auch nur ein paar tausend Schritte, bevor die Sohle abging.
“Greenwashing” meint, dass Unternehmen beispielsweise ihre Produkte als nachhaltig bewerben, ohne dies tatsächlich zu belegen. Stattdessen versuchen sie deren Nachhaltigkeit mit vagen und allgemeinen Aussagen zu begründen, um so die Verbraucher*innen zu täuschen. Shein bietet dafür gute Beispiele.
Auf der einen Seite geben sie sich bewusst nachhaltig. Doch gleichzeitig hat die Verbraucherzentrale das Unternehmen abgemahnt – und das unter anderem wegen Greenwashings. Bei dem Unternehmen wird damit geworben, dass Bestellungen im Paketshop abgeholt werden könnten und somit ein wertvoller Beitrag zum Umweltschutz geleistet werden könnte, doch Shein lässt währenddessen billig in China produzieren und versendet seine Waren größtenteils per Flugzeug. (Quelle)
Vieles, was der Konzern in Richtung Nachhaltigkeit sagt und angeblich machen will, klingt oftmals gut – wie z. B. ihre Reihe evoluSHEIN, die stärker auf Nachhaltigkeit setzen soll. Die Materialien sollen “den Planeten weniger belasten” und jedes Kleidungsstück soll aus “verantwortungsvoll beschafften Materialien hergestellt” sein. Die Kleidung besteht aus recyceltem Polyester (Quelle)
Das klingt zwar erst mal gut, weil keine neuen Polyesterfasern genutzt werden, doch die verwendeten PET-Flaschen befinden sich eigentlich bereits in einem geschlossenem Kreislauf, in dem sie recycelt werden. Noch interessanter ist die Kollektion “WB Earth Day”. Der Slogan davon “Inspiriert von der Natur”. Die Farben sind in Erdtönen gehalten (zumindest das Werbebanner), aber ansonsten erfährt man nicht viel über die verwendeten Materialien. Die Einkaufstasche, die direkt zu Beginn angezeigt wird, besteht z. B. einfach nur aus 100 % Polyester.
Viele Umsetzungsideen klingen zwar erst mal sehr gut, aber die tatsächliche Umsetzung ist nicht transparent gestaltet.
Ein großes Thema ist auch das Thema Zoll. Die derzeitige Zollfreigrenze von 150 € könnte ihren Anteil daran haben, dass die Onlinehändler ihre Lieferungen stückeln, um unter dieser Grenze zu bleiben. Nach den derzeitigen EU-Bestimmungen müssen Pakete, die online aus einem Nicht-EU-Land gekauft werden, nicht verzollt werden, wenn ihr Wert unter diesem Betrag liegt. Bei ca. 65 % der Pakete besteht außerdem die Vermutung, dass der Paketwert absichtlich zu niedrig deklariert wurde. Shein und Temu selbst meinten, dass sie die Lieferungen weder aufteilen noch zu niedrig ausweisen würden. Dazu kommt, dass die Zollbeamt*innen die schier unaufhörliche Flut an Paketen nicht bewältigen können. Laut der EU-Kommission erreichten 2023 rund zwei Milliarden Pakete mit einem Warenwert von je unter 150 € Europa aus Drittstaaten – ca. 400.000 Produkte von Temu und Shein treffen allein auf dem deutschen Markt ein. (Quelle 1) (Quelle 2)
Zur Zeit plant das Wirtschaftsministerium deswegen, strengere Regeln durchzusetzen. Das sieht der Aktionsplan E‑Commerce vor, über den bisher allerdings noch keine Details bekannt sind. Ziel soll auf jeden Fall sein, dass bestehende Rechtsvorschriften gegenüber Händler*innen aus Drittländern genauso hart durchgesetzt werden wie gegenüber den europäischen. Auf europäischer Ebene wird auch diskutiert, die 150-€-Freigrenze abzuschaffen. (Quelle 3)
Hier wird noch in Kürze Inhalt folgen.
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