Die Lieferkette

Die Reise eines T‑Shirts

Du siehst in einem Geschäft ein schö­nes T‑Shirt, was dir gefällt, und – was ein Glück, ein rich­ti­ges Schnäpp­chen! – es kos­tet nur 4,99 €! Doch sicher­lich hast du dich in sol­chen Moment auch schon gefragt: Wie kön­nen die das über­haupt so güns­tig anbie­ten? Machen sie damit nicht Ver­lust? Tat­säch­lich (lei­der) nicht. Um zu ver­ste­hen, war­um das so ist, müs­sen wir uns die ver­schie­de­nen Sta­tio­nen der Lie­fer­ket­te dei­nes T‑Shirts an-schau­en, bei der der Weg eines Pro­dukts vom Roh­stoff bis zum End­ver­brau­cher betrach­tet wird.

1. Rohstofferzeugung

Wir begin­nen unse­re Rei­se in Indi­en, denn hier gibt es mit 6.131.050 Ton­nen pro Jahr die größ­te Baum­woll­pro­duk­ti­on – gefolgt von Chi­na und den Ver­ei­nig­ten Staa­ten. Hier wird die Baum­wol­le gepflückt, die spä­ter für das T‑Shirt ver­ar­bei­tet wird. Obwohl Kin­der­ar­beit in vie­len die­ser Län­der eigent­lich ver­bo­ten ist, gibt es hier teil­wei­se immer noch Kin­der, die auf den Fel­dern arbei­ten.

2. Spinnerei

Als nächs­tes rei­sen wir in die ca. 4.500 km ent­fern­te Tür­kei. Hier­hin wird die Baum­wol­le trans­por­tiert, um dar­aus Garn her­zu­stel­len. Auch an die­ser Sta­ti­on kön­nen wir Arbeits­be­din­gun­gen beob­ach­ten, die moder­ner Skla­ve­rei glei­chen: Jun­ge Mäd­chen, die bis zu 14 Stun­den am Tag für einen Hun­ger­lohn arbei­ten.

3. Weberei

Wir rei­sen wei­ter nach Tai­wan – eine Fahrt­stre­cke von über 10.600 km. Dort wird aus dem zuvor gewon­nen Garn mit­hil­fe von Strick­ma­schi­nen Stoff pro­du­ziert. In sei­ner natür-lichen Fär­bung ist die Baum­wol­le beige, wes­we­gen sie nun auf Con­tai­ner­schif­fe ver­la-den und wei­ter­ver­schifft wird.

4. Bleichen & Färben

Um die gewünsch­te Far­be zu bekom­men, wird der beige Baum­woll­stoff nun nach einer wei­te­ren 2.700 km lan­gen Rei­se in Chi­na gebleicht und gefärbt. Für einen sehr gerin­gen Lohn müs­sen die Arbeiter*innen hier meist ohne Schutz­klei­dung mit star­ken und gesund­heits­schäd­li­chen Che­mi­ka­li­en die Stof­fe bear­bei­ten. Und auch die Umwelt lei­det: Oft­mals wer­den die gif­ti­gen Che­mi­ka­li­en anschlie­ßend ein­fach in die Flüs­se gelei­tet.

5. Nähen

Als nächs­tes muss unser T‑Shirt genäht wer­den, dafür rei­sen wir knapp 3.500 km wei­ter nach Ban­gla­desch. Im Jahr 2013 sorg­te das Land für trau­ri­ge Schlag­zei­len: Bei dem Ein­sturz von Rana Pla­za star­ben auf­grund von Sicher­heits­män­geln über 1.138 Men­schen.

6. Handel

Nun haben wir unser fer­ti­ges T‑Shirt und rei­sen damit ca. 7.200 km nach Deutsch­land, um es dort in den Han­del zu brin­gen.

Wir haben nun 28.500 km hin­ter uns – für die Her­stel­lung eines T‑Shirts, an dem so vie­le Men­schen gear­bei­tet haben, das fast ein­mal um die gan­ze Welt geflo­gen ist und das jetzt für 4,99 € im Geschäft ver­kauft wird. Wie es für uns so güns­tig sein kann? Weil nicht wir den Preis dafür bezah­len, son­dern die Men­schen und die Umwelt auf dem Weg zu uns.

7. Gebrauch & Entsorgung

Auch die Nut­zung und die Ent­sor­gung des T‑Shirts sind Schrit­te der Lie­fer­ket­te. Wie schäd­lich die Ent­sor­gung ist, hängt sehr indi­vi­du­ell davon, wie die­se erfolgt. Die nach-hal­tigs­te Mög­lich­keit ist es, Abfall zu ver­mei­den und Tex­ti­li­en wei­ter­zu­ver­wen­den. Das wür­de z. B. bedeu­ten, eine Hose zu nähen oder aus einem T‑Shirt eine Tasche zu nähen. Umge­kehrt wäre die umwelt­schäd­lichs­te Metho­de der Ent­sor­gung die Depo­nie­rung. Hier lan­den Abfäl­le, die nicht besei­tigt wer­den kön­nen und auf einer Depo­nie dann end­ge­la-gert wer­den.

Um die Entsorgung (möglichst lange) zu vermeiden, haben wir euch hier einmal verschiedene Schritte zusammen­getragen, die euch helfen können, nachhaltiger und bewusster zu konsumieren:

Die Probleme in der Lieferkette

Quel­le: Dos­sier Fast Fashion 2019, Rome­ro Initia­ti­ve (CIR).
Illus­tra­ti­on: Niko­la Ber­ger — nikobe.net

Vie­le der Pro­ble­me, die es in der Lie­fer­ket­te gibt, sind dir sicher­lich schon wäh­rend der Rei­se auf­ge­fal­len. Hier aber noch ein­mal ein kur­zer Über­blick über die Pro­ble­me in der Lie­fer­ket­te, für deren Besei­ti­gung wir uns gemein­sam ein­set­zen möch­ten.

Arbeits­bedingungen & Menschen­rechts­verletzungen

In vie­len Tei­len der Welt sind die Arbeits­be­din­gun­gen in der Tex­til­in­dus­trie unzu­rei­chend. Auch wenn sich nach bei­spiels­wei­se dem Ein­sturz eini­ges ver­bes­sert hat, sind nied­ri­ge Löh­ne, lan­ge Arbeits­zei­ten und kei­ne aus­rei­chen­den Gesund­heits- und Sicher­heits­stan­dards sind an der Tages­ord­nung. Es gibt meist kei­ne Ver­ei­ni­gungs­frei­heit und somit kei­ne Mög­lich­keit, eine Gewerk­schaft zu grün­den, die sich für die Belan­ge der Men­schen vor Ort ein­set­zen könn­te. Ins­be­son­de­re in Län­dern mit schwa­chen Arbeits­ge­set­zen sind Men­schen­rechts­ver­let­zun­gen wie Zwangs­ar­beit, Kin­der­ar­beit und Dis­kri­mi­nie­rung weit ver­brei­tet.

Umwelt­verschmutzung

Die Tex­til­pro­duk­ti­on ist dar­über hin­aus oft mit gra­vie­ren­den Umwelt­aus­wir­kun­gen ver­bun­den – sei es durch den Ein­satz schäd­li­cher Che­mi­ka­li­en bei der Ver­ede­lung, die Ver­wen­dung von Ton­nen an Pes­ti­zi­den auf den Baum­woll­fel­dern oder die gro­ße Men­ge an Was­ser und Ener­gie, die für die Pro­duk­ti­on benö­tigt wird. Für ein ein­zi­ges T‑Shirt wird im Schnitt 2.300 l Was­ser benö­tigt. Ein ein­drucks­vol­les und zugleich trau­ri­ges Bild für die enor­men Umwelt­aus­wir­kun­gen zeigt sich im Aral­see. Lan­ge Zeit zähl­te der Aral­see an der Gren­ze von Kasach­stan zu Usbe­ki­stan zu den größ­ten Bin­nen­ge­wäs­sern der Erde. Doch nach­dem die sowje­ti­sche Regie­rung begann, das Was­ser des Sees zur Bewäs­se­rung von Baum­woll­plan­ta­gen umzu­lei­ten, begann der See all­mäh­lich aus­zu­trock­nen. Der kasa­chi­sche Teil konn­te zwar durch den Bau eines Stau­damms geret­tet wer­den, doch der süd­li­che Abschnitt ist 50 Jah­re spä­ter fast gänz­lich ver­lan­det. Die Men­schen in der Regi­on kämp­fen heu­te mit den ver­hee­ren­den Fol­gen die­ser Ent­wick­lung: ver­schlech­ter­te Luft­qua­li­tät, gif­ti­ge Sand­stür­me häu­fen sich und die Fischer ver­lie­ren ihre Exis­tenz­grund­la­ge.

Hier fin­det ihr eine Zeit­raf­fer­auf­nah­me eines NASA-Satel­li­ten, wie der Aral­see lang­sam ver­schwin­det:

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Wegwerfkultur

Die Tex­til­in­dus­trie ist von einer extre­men Weg­werf­kul­tur geprägt, was zu enor­men Ab-fall­men­gen und Umwelt­be­las­tun­gen führt. Die zahl­rei­chen Fast-Fashion-Label wie Shein, Pri­mark etc. brin­gen jede Woche meh­re­re tau­send neue Designs auf den Markt. Die­se Klei­dung ist dabei nicht auf Qua­li­tät und Halt­bar­keit aus­ge­legt, son­dern auf eine schnel­le Pro­duk­ti­on und den neus­ten Trend. Die Deut­schen besit­zen im Durch­schnitt 95 Klei­dungs­stü­cke – das sind etwa 5,2 Mil­li­ar­den ins­ge­samt. Davon wird jedes fünf­te so gut wie nie (max. 2x ins­ge­samt) und genau­so vie­le sel­ten getra­gen (sel­te­ner als alle 3 Mona­te). Das bedeu­tet, dass knapp 2 Mil­li­ar­den (40 %) Tex­ti­li­en unge­nutzt für den Schrank pro­du­ziert wur­den. Hin­zu kommt, dass die­se nur kurz genutzt wer­den. In einer Umfra­ge von Green­peace wur­den hier­zu über 1.000 Per­so­nen befragt und die Hälf­te trägt ihre Schu­he weni­ger als 3 Jah­re – genau­so bei Ober­tei­len und Hosen. 83 % hat­ten noch nie Klei­dung getauscht und über die Hälf­te hat auch noch nie Tex­ti­li­en wei­ter­ver­kauft oder selbst gebraucht gekauft.
Doch was kön­nen wir ändern? Was sind Mög­lich­kei­ten, die Situa­ti­on von Men­schen und Umwelt ent­lang der Lie­fer­ket­te zu ver­än­dern? Und was bedeu­tet das für uns selbst?

Lösungsansätze

In der Ver­gan­gen­heit gab es immer wie­der Men­schen­rechts- und Umwelt­ver­let­zun­gen im Kon­text von (glo­ba­len) Lie­fer­ket­ten: nicht aus­rei­chen­de Trans­pa­renz, viel zu gerin­ge Sicher­heits­be­stim­mun­gen für Mensch und Umwelt, men­schen­un­wür­di­ge Bedin­gun­gen für Näher*innen und noch viel mehr. Eini­ge die­ser Pro­ble­me wer­den mit dem Lie­fer­ket­ten­ge­setz ange­gan­gen. Die­ses Gesetz nimmt die Unter­neh­men stär­ker in die Ver­ant­wor­tung, sich dar­um zu küm­mern, was ent­lang ihrer Wert­schöp­fungs­ket­te pas­siert. Gleich­zei­tig wird es für die betrof­fe­nen Arbeiter*innen leich­ter mög­lich sein, bei­spiels­wei­se im Fal­le eines Arbeits­un­falls auf­grund man­geln­der Sicher­heits­maß­nah­men, Scha­dens­er­satz zu erhal­ten.
Seit 2023 gilt das deut­sche Lie­fer­ket­ten­ge­setz und Ende April 2024 hat das EU-Par­la­ment dem EU-Lie­fer­ket­ten­ge­setz zuge­stimmt. Wir haben euch dazu meh­re­re Bei­trä­ge auf Insta­gram hoch­ge­la­den und auf der Web­sei­te der Initia­ti­ve Lie­fer­ket­ten­ge­setz könnt ihr dazu auch noch wei­ter infor­mie­ren.

Bangladesh Accord

World Busi­ness Coun­cil for Sus­tainable Deve­lo­p­ment

Am 24. Novem­ber 2012 kamen beim Brand von Taz­reen über 110 Textilarbeiter*innen in Ban­gla­desch ums Leben. Genau sechs Mona­te spä­ter star­ben in den Trüm­mern von Rana Pla­za mehr als 1.100 Men­schen, die Klei­dung für inter­na­tio­na­le Mode­un­ter­neh­men näh­ten. Das „Abkom­men für Gebäu­de­si­cher­heit und Feu­er­schutz in Ban­gla­desch“ (Ban­gla­desh Accord) war eine Reak­ti­on auf die­se Tra­gö­di­en und hat erfolg­reich dazu bei­getra­gen, solch ver­meid­ba­re Kata­stro­phen in der Beklei­dungs­in­dus­trie zu ver­hin­dern, wo alle ande­ren Pro­gram­me ver­sagt haben. Der Accord in Ban­gla­desch gilt als der erfolg-reichs­te Mecha­nis­mus zur Ver­bes­se­rung der Sicher­heit am Arbeits­platz welt­weit. Mit ihm sol­len ange­mes­se­ne Gesund­heits- und Sicher­heits­stan­dards geschaf­fen wer­den, die Brän­de, Gebäu­de­ein­stür­ze und wei­te­re Unfäl­le ver­hin­dern.

Das Abkom­men ist eine rechts­ver­bind­li­che Ver­ein­ba­rung zwi­schen glo­ba­len Mar­ken, Einzelhändler*innen, Indus­tri­ALL Glo­bal Uni­on & UNI Glo­bal Uni­on und acht ihrer ban­gla­de­schi­schen Mit­glieds­ge­werk­schaf­ten, um auf eine siche­re und gesun­de Beklei­dungs- und Tex­til­in­dus­trie in Ban­gla­desch hin­zu­ar­bei­ten.

Mehr als 220 Unter­neh­men haben die auf fünf Jah­re ange­leg­te Ver­ein­ba­rung 2013 unter-zeich­net. Bis zu ihrem Ablauf im Mai 2018 hat die­se Ver­ein­ba­rung zu deut­lich siche­re­ren Arbeits­plät­zen für Mil­lio­nen von Bekleidungsarbeiter*innen in Ban­gla­desch bei­getra­gen. Um die­se Fort­schrit­te auf­recht­zu­er­hal­ten und aus­zu­bau­en, haben über 190 Mar­ken und Einzelhändler*innnen die Über­gangs­ver­ein­ba­rung 2018 mit den glo­ba­len Gewerk­schaf­ten unter­zeich­net. Zwei Jah­re spä­ter, im Juni 2020 ging die Umset­zung der Ver­ein­ba­rung auf den RMG Sus­taina­bi­li­ty Coun­cil (RSC) über.