Nachhaltiges Wohnen

Wohn­raum ist und bleibt knapp – ins­be­son­de­re in grö­ße­ren und belieb­ten Städ­ten. Laut dem Insti­tut für Wirt­schafts­for­schung könn­ten bis 2027 sogar 830.000 Woh­nun­gen feh­len (Quel­le 1). Der Schluss liegt daher nahe, dass wir die­sem Pro­blem durch den Bau neu­er Woh­nun­gen ent­ge­gen­wir­ken müs­sen. Bau­mi­nis­te­rin Kla­ra Gey­witz ver­sprach, dass jedes Jahr 400.000 neue Woh­nun­gen fer­tig­ge­stellt wer­den sol­len. Auf­grund des hohen Zins­ni­veaus und stark gestie­ge­ner Bau­kos­ten loh­nen sich vie­le Vor­ha­ben jedoch nicht mehr und Neu­bau­pro­jek­te müs­sen gestoppt wer­den.

Deutschland ist gebaut?

Doch ist Neu­bau über­haupt die rich­ti­ge Ant­wort auf die zuneh­men­de Woh­nungs­kri­se? Immer mehr Men­schen, wie bei­spiels­wei­se der der Wohn­wen­de­öko­nom Dr. Dani­el Fuhr­hop, for­dern, dass wir uns statt­des­sen viel stär­ker auf den bereits bestehen­den Wohn­raum kon­zen­trie­ren soll­ten, der enor­me bis­her unge­nutz­te Poten­zia­le bie­te. Ihre Ansicht, dass Deutsch­land bereits aus­rei­chend bebaut sei, bele­gen sie unter ande­rem mit einem Blick auf die Bevöl­ke­rungs­ent­wick­lung Deutsch­lands.

In sei­nem Buch „Ver­bie­tet das Bau­en“ ver­an­schau­licht Dr. Dani­el Fuhr­hop das am Bei­spiel der Zah­len für 2018: In die­sem Jahr stieg die Bevöl­ke­rung in Deutsch­land um etwa 227.000 Men­schen. Geht man davon aus, dass durch­schnitt­lich 2 Per­so­nen in einem Haus­halt leben, wer­den daher etwa 113.500 zusätz­li­che Woh­nun­gen benö­tigt. Gebaut wur­den in dem Jahr aller­dings 285.900 Woh­nun­gen, also etwa 172.400 Woh­nun­gen zu viel. Selbst wenn der Abriss alter Gebäu­de dazu­ge­zählt wird, bleibt ein Woh­nungs­über­schuss von knapp 100.000 Woh­nun­gen bestehen („Ver­bie­tet das Bau­en“, S. 58–60).

Steigende Wohnflächen

Wie kann es sein, dass den­noch unzäh­li­ge Men­schen kei­ne Woh­nun­gen fin­den? Das liegt zum einen dar­an, dass die Nach­fra­ge nach Wohn­raum unter­schied­lich ver­teilt ist. Wäh­rend zahl­rei­che Woh­nun­gen auf dem Land und im Osten Deutsch­lands leer ste­hen, drän­gen immer mehr Men­schen in die Städ­te und deren belieb­tes Umland. Gleich­zei­tig ver­deut­licht aber auch noch eine ande­re Ent­wick­lung, war­um zu wenig Wohn­raum zur Ver­fü­gung steht: Wir benö­ti­gen immer mehr Flä­che. Seit 1960 ist die Wohn­flä­che pro Kopf von knapp über 20 qm auf fast 60 qm gestie­gen und hat sich damit nahe­zu ver­drei­facht. Selbst wenn die Bevöl­ke­rungs­zahl kon­stant blei­ben wür­de, wür­den wir damit trotz­dem immer mehr Platz benö­ti­gen. Die­ser Trend kon­ter­ka­riert zusätz­lich die posi­ti­ven Effek­te, die durch Effi­zi­enz­stei­ge­run­gen und damit einen gerin­ge­ren Raum­wär­me­be­darf pro qm Wohn­flä­che erreicht wer­den, sodass es zum soge­nann­ten Rebound-Effekt kommt.

Die Ant­wort dar­auf: suf­fi­zi­en­ter woh­nen

Grund­sätz­lich ste­hen in Deutsch­land also vie­le Flä­chen zur Ver­fü­gung, sie müss­ten nur bes­ser genutzt wer­den. Das betrifft zum Bei­spiel die allein­ste­hen­de Wit­we, die auf über 100 qm in einem deut­lich zu gro­ßem Haus wohnt und vie­le Zim­mer gar nicht mehr benutzt. Oder das Ehe­paar, das nach dem Aus­zug der Kin­der nun zahl­rei­che Zim­mer als Hob­by­räu­me ver­wen­det. Eine effi­zi­en­te Nut­zung von Wohn­raum soll aller­dings nicht hei­ßen, dass Men­schen gegen ihren Wil­len die gro­ßen Woh­nun­gen ver­las­sen müs­sen, son­dern dass mehr Raum und finan­zi­el­le Mög­lich­kei­ten zur För­de­run­gen von alter­na­ti­ven Wohn­for­men bereit­ste­hen soll­ten. 

Argumente für suffizientes Wohnen

Weni­ger Neu­bau not­wen­dig: weni­ger Flä­chen- und Res­sour­cen­ver­brauch
Wenn du auf den But­ton klickst, wirst du zu einer Stu­die des Wup­per­tal Insti­tuts wei­ter­ge­lei­tet, die sich dar­in inten­siv mit dem The­ma weni­ger Neu­bau beschäf­tigt haben.
Hier kli­cken
Woh­nen für Hil­fe und Gemein­schafts­mo­del­le gegen Ver­ein­sa­mung
Wenn du auf den But­ton klickst, wirst du auf einen Bei­trag vom FORUM Gemein­schaft­li­ches Woh­nen e.V. wei­ter­ge­lei­tet, die sich dar­in inten­siv mit Gemein­schafts­mo­del­len beschäf­tigt haben.
Hier kli­cken

Mögliche Konzepte für suffizientes Wohnen

Beispiele für Projekte in anderen Städten

Der Umzug in eine klei­ne­re Woh­nung bringt im Ide­al­fall Vor­tei­le, wie mehr Kom­fort, Bar­rie­re­frei­heit, Ener­gie­ef­fi­zi­enz und einen idea­len Zuschnitt. Die Bewohner*innen kön­nen das Wohn­um­feld neu und den aktu­el­len Bedürf­nis­se nach gestal­ten. Aller­dings gibt es eini­ge Her­aus­for­de­run­gen, um einen Umzug zufrie­den­stel­lend zu orga­ni­sie­ren: man muss eine neue Woh­nung suchen, das alte Zuhau­se ver­mie­ten oder ver­kau­fen und den Umzug pla­nen. Dabei kann die Ver­wal­tung oder Akteur*innen vor Ort unter­stüt­zen, indem sie z.B. das Woh­nungs­an­ge­bot mit­ge­stal­ten oder Umzugs­hil­fen auf­bau­en.

Die­ser Ansatz erscheint gera­de in den aktu­el­len Zei­ten äußerst inter­es­sant, in denen eine zuneh­mend altern­de Bevöl­ke­rung auf eine stei­gen­de Nach­fra­ge nach Sin­gle-Haus­hal­ten trifft. Das Kon­zept von „Woh­nen für Hil­fe“ beruht dabei dar­auf, dass ins­be­son­de­re älte­re Men­schen, die grund­sätz­lich noch fit sind, aber zuneh­mend Hil­fe im All­tag benö­ti­gen, einen Teil ihres Wohn­raums kos­ten­frei oder ver­güns­tigt für ande­re Men­schen zur Ver­fü­gung stel­len, die sie dann im Gegen­zug bei Arbei­ten im Haus­halt oder im Gar­ten sowie all­täg­li­chen Erle­di­gun­gen unter­stüt­zen. Eine detail­lier­te Vor­stel­lung die­ses Kon­zep­tes samt Ana­ly­se der Poten­zia­le und bestehen­den Hemm­nis­sen fin­det sich in der Dis­ser­ta­ti­on von Dr. Dani­el Fuhr­hop: Der unsicht­ba­re Wohn­raum bei tran­script Ver­lag (transcript-verlag.de). Das Kon­zept wird bereits in ver­schie­de­nen Län­dern erfolg­reich ange­wandt, die bei der Umset­zung in Deutsch­land als Bei­spiel die­nen kön­nen.

Das umfasst bei­spiels­wei­se gerin­ge­re Steu­ern und KfW-Zuschüs­se für die Tei­lung von Wohn­raum. Zudem wer­den Bera­tun­gen ange­bo­ten, um nach­hal­ti­ge Wohn­for­men zu unter­stüt­zen.

Das inter- und trans­dis­zi­pli­nä­re For­schungs­pro­jekt „Opti­Wohn“, geför­dert vom Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Bil­dung und For­schung, stellt fest: „In unse­ren Städ­ten gibt es im Prin­zip aus­rei­chend Wohn­raum, aber die­ser Wohn­raum ist nicht effi­zi­ent genutzt. Wäh­rend eini­ge Men­schen auf sehr gro­ßer Flä­che leben, haben ande­re Haus­hal­te oft­mals nicht genug Wohn­raum zur Ver­fü­gung. Auch des­we­gen las­tet gera­de auf den Groß­städ­ten ein erheb­li­cher Neu­bau­druck. In der Theo­rie müss­te der Wohn­raum in den Städ­ten also “nur” neu ver­teilt wer­den, dann wür­de sich der Neu­bau­druck auf das not­wen­di­ge Mini­mum redu­zie­ren.“

Am 30. Sep­tem­ber wird Herr Schä­fer vom Sozi­al­amt der Stadt Karls­ru­he das Pro­jekt „Wohn­rau­mak­qui­se durch Koope­ra­ti­on“ vor­stel­len, das ein­ge­führt wur­de, um die Woh­nungs­lo­sig­keit in der Stadt zu bekämp­fen.

Dies umfasst eine Miet­aus­fall­ga­ran­tie, sozi­al­päd­ago­gi­sche Beglei­tung sowie Ein­mal­för­de­run­gen. Und das Pro­jekt hat sich zum Erfolgs­pro­gramm ent­wi­ckelt: Bis­her konn­ten über 1300 Woh­nun­gen für etwa 3500 Men­schen geschaf­fen, das Bud­get deut­lich erhöht und 12 neue Stel­len ein­ge­rich­tet wer­den.

Das Pro­gramm ermög­licht nun auch grö­ße­re Pro­jek­te, wie den Umbau eines alten Kli­nik­ge­bäu­des und das „Dörf­le“ mit 100 Ein­hei­ten für sozia­len und bezahl­ba­ren Wohn­raum, ins­be­son­de­re für Pfle­ge­kräf­te und ein­ge­wan­der­te Arbeits­kräf­te.

Geför­dert vom För­der­fonds “Bezahl­ba­rer Wohn­raum” akqui­riert die Cari­tas im Netz­werk und in Koope­ra­ti­on mit ande­ren kirch­li­chen und regio­na­len Part­nern leer­ste­hen­den Wohn­raum, macht Ver­mie­ter aus­fin­dig, ver­mit­telt, und/oder mie­tet Wohn­raum an, der wie­der­um an Men­schen in schwie­ri­gen Lebens­la­gen wei­ter­ver­mie­tet wird und gibt so “Men­schen ein Zuhau­se”.

Die Bele­gungs­vor­ga­ben geben meis­tens eine Min­dest­be­le­gung vor, die der Zim­mer­an­zahl ‑1 ent­spricht.

Bei einer Unter­be­le­gung erfolgt eine sozi­al aus­ge­stal­te­te Umzugs­frist, die i. d. R. 2–4 Alter­na­tiv­an­ge­bo­te beinhal­tet.

Ver­brei­tung Bele­gungs­vor­ga­ben

  • in über 70 % der Genos­sen­schaf­ten (Blu­mer 2012)
  • in allen städ­ti­schen Woh­nun­gen bei­spiels­wei­se in Zürich (ein­stim­mi­ger Rats­be­schluss) und Bern exis­tiert seit Jahr­zehn­te

Woh­nungs­be­stand in Zürich

  • 6 % kom­mu­nal, 19 % genos­sen­schaft­lich
  • ins­ge­samt 25 % gemein­nüt­zig

Bele­gungs­vor­ga­ben wer­den als gerecht und legi­tim ange­se­hen, da sie Lösun­gen für indi­vi­du­el­le und gesell­schaft­li­che sozia­le Pro­ble­me bie­ten. Dafür ist eine ganz­heit­li­che Umset­zung not­wen­dig, die insti­tu­tio­nel­len, kul­tu­rel­len und infra­struk­tu­rel­len Wan­del syn­chron adres­siert und so Push- und Pull-Maß­nah­men kom­bi­niert.

Newsletter

Du möch­test über unse­re aktu­el­len Ver­an­stal­tun­gen und Pro­jek­te auf dem Lau­fen­den gehal­ten wer­den und inter­es­sierst dich für The­men rund um Nach­hal­tig­keit?

Dann mel­de dich für unse­ren Cum-Ratio­ne-News­let­ter an!